Was in Japan bereits Realität ist… Überstunden gefährden Leben

 

Konflikte durch Überstunden nehmen zu

Überstunden sind eines der zentralen und konfliktreichen Themen in Unternehmen. Hier erfahren Sie, wichtige, wissenschaftlich fundierte Fakten, die Ihnen einen anderen Blick auf das Problem erlauben.

Überstunden können für Beschäftigte drastische Gesundheitsfolgen haben. In Japan ist das Überstundengeschehen derart dramatisch, dass immer wieder Menschen an den Folgen der Überarbeitung sterben. Es hat sich sogar ein eigener Begriff für den Tod durch Überarbeitung etabliert: Karoshi.

Karoshi – Tod durch Überarbeitung

Dabei sind nicht nur Manager, sondern auch normale Angestellte davon betroffen. Sie arbeiten zu viel, meist in Form von unbezahlten Überstunden oder werden anderweitig unter Druck gesetzt. Die Folge sind stressbedingte Tode, etwa in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch in Form einer steigenden Zahl an Selbstmorden.

In Japan ist es nun so weit, dass Arbeitgeber für derartige Tode gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Grund hierfür ist eine Arbeitsmarktreform, die die Zahl der zulässigen Überstunden auf 100 im Monat und 720 im Jahr begrenzt.

Eine Entwicklung, von der Deutschland meilenweit entfernt ist. Wirklich?

Klar ist, dass Deutschland im Hinblick auf Überstunden ein weitaus gesundheitsfördernde Gesetzeslage hat als Japan. Hinzu kommt ein anderes Verständnis von Arbeit und Arbeitgeberloyalität. So kam ein Japaner im Jahr 2017 auf durchschnittlich 1.710 Arbeitsstunden, in Deutschland hingegen lag der Durchschnitt bei 1.356 Stunden (Angabe laut OECD).

Jedoch bilden die Durchschnittswerte nur einen Teil der Wahrheit ab. Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine Fachkraft im gesamten Berufsleben im Schnitt 6.562 Überstunden leistet, bei einer Führungskraft sind es bereits 15.430 Stunden (Arbeitszeitmonitor 2018, Compensation Partner). Folglich muss auch in Deutschland von gesundheitlichen Risiken durch Mehrarbeit ausgegangen werden.

Sind alle Überstunden gesundheitsschädlich?

Um diese Frage zu beantworten, können Überstunden nicht global betrachtet werden. Vielmehr macht eine Differenzierung in verschiedene Typen von Überstunden Sinn.

Überstunden können produktiv sein und für Wertschöpfung sorgen, aber auch genauso unproduktiv. Aus Perspektive der Mitarbeiter gibt es zudem sinnvolle und unsinnige Mehrarbeit. Kombinieren wir diese Eigenschaften, kommen wir zu 4 + 1 Überstundentypologien.

Überstunden Typ 1 – Unsinnig und überflüssig = doppelt fatal

Die Ursache liegt in offenbar vermeidbaren Fehlern in der Planung, Kommunikation und im Personaleinsatz. Die Fehler sind für jeden ersichtlich, was zu Frust auf allen Ebenen führt.

Überstunden Typ 2 – Wertschöpfend, aber seitens der Mitarbeiter als unsinnig empfunden

Sowohl Maßnahmen zur präventiven Vermeidung von Fehlarbeit als auch Maßnahmen zur Erhöhung des Kundennutzens sind grundsätzlich wertschöpfend und somit gut für das Unternehmen. Wird jedoch vergessen, die Betroffenen über die Sinnhaftigkeit zu informieren, behandelt man ihn trotz seiner guten Arbeit wie einen Verursacher. Vertrauen geht verloren und Widerstand wächst.

Überstunden Typ 3 – Mitarbeiter empfinden die Überstunde als sinnvoll, doch hat das Unternehmen nichts (nicht sofort etwas) davon

Die Überstunden bedienen im Wesentlichen die Kerninteressen des Mitarbeiters. Dies kann in einem erhöhten Verdienst, einer absehbaren Entlastung oder einer beruflichen Weiterentwicklung liegen. Ein Vorteil für das Unternehmen wird sich jedoch nicht sofort, in einigen Fällen auch nie, einstellen.

Überstunden Typ 4 – Sinnhaft und wertschöpfend

Die Mehrarbeit führt direkt zu mehr Umsatz, ggf. werden die Mitarbeiter am Erfolg beteiligt. Beide gewinnen. Jedoch sind auch hier bei einer dauerhaften Mehrbelastung gesundheitliche Folgen zu erwarten.

Überstunden Typ 5 –  Die Kunst der Balance – dauerhaft motivierend und nachhaltig wertschöpfend

Motivationsfördernde Überstunden basieren auf einer Balance der Interessen, auf einer offenen und transparenten Information und einer anerkennenden Wertschätzung durch die Führungskräfte. Selbst bei sehr kritischer Ausgangslage kann dies zur Stärkung von Teams führen und die Ergebnisse des Unternehmens langfristig positiv beeinflussen.

Die unterschiedlichen Typen von Überstunden haben ein unterschiedlich hohes Risikopotential. Je mehr sich die Überstunden dem Ideal der Balance nähern, desto weniger Gesundheitsrisiken bergen sie. Aber auch im Idealfall der Balance sind Überstunden nur temporär zu dulden.

Ob Überstunden schädlich sind oder nicht hängt also zu einem Großteil von der Art der Überstunden ab. Hierein spielt auch ein entscheidender Faktor, nämlich die Einstellung der Mitarbeiter zu den Überstunden. Für sie muss die zu leistende Mehrarbeit sinnvoll sein, sonst droht Stress. Die Folge können Bluthochdruck, ein erhöhter Cortisol- und Cholesterinspiegel sowie Gewichtsprobleme sein. Darüber hinaus sind auch psychische Probleme ein weit verbreitetes Risiko.

Die Kunst der Balance vs. Karoshi

Es liegt an der Unternehmensführung, die Kunst der Balance zu finden, um dem japanischen Extrem des Karoshi aktiv entgegenzuwirken.

Das Projekt “Überstunden-Helden”, zu dem wir Sie herzliche einladen, kümmert sich um eben solche Themenstellungen. Gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sind wir auf der Suche nach Unternehmen, die in einem Pilotprojekt eine Lösung für das Phänomen Überstunden in der Praxis testen.

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